Sonntag, 3. Mai 2015

World Klapp 2015 - 24h du Schopp

nach mehr als 20 Stunden im Rennen
Es klingt wie ein schlechter Scherz, wie eine Idee, die man zwischen zwei Weinschorlen hat. Aber nach den ersten beiden World Klapps als Stundenweltrekordversuche, dem Mannschaftszeitfahren letztes Jahr in Berlin war dieses Jahr tatsächlich ein 24-Stunden-Rennen auf dem Klapprad dran. Die Regeln bleiben die gleichen: Ohne Oberlippenbart kein Start, das Klapprad ist aus Stahl und muss mindestens 30 Jahre alt sein. Originallenker, funktionsfähiger Klappmechanismus. Keine Gangschaltung. Zusätzlich wurde für die 24h festgelegt, dass die Übersetzung nicht geändert werden darf, und dass man nur im Defektfall ein Ersatzrad benutzen darf.

mein Team klABBA
Ausgetragen wurde der Wettbewerb auf der Radrennbahn in Schopp bei Kaiserslautern, die erst vor drei Jahren einen ganz neuen Belag bekommen hat und in einem dementsprechend guten Zustand ist. Es durfte immer ein Teilnehmer der Vierteam fahren, wobei man jederzeit wechseln durfte. Es waren somit immer 38 Fahrer auf der Bahn, und das Tempo war hoch. Wer den Klappräder Geschwindigkeiten von über 40km/h nicht zu getraut hatte wurde schnell eines besseren belehrt. Schnelle Gruppen fanden sich, kreiselten und fuhren Rundenzeiten um die 45 Sekunden, was 36 km/h entspricht. Um 18 Uhr war Start, und ab viertel vor Acht Uhr abends war dann auch Beleuchtung Pflicht am Rad. Jetzt kam die Nacht, es regnete und es wurde bis zu 7 Grad kalt. Keiner dieser Umstände schreckte die Athleten wirklich ab. Immernoch schnelle Züge, die permanent ihre schnellen Runden ablieferten, aber auch "Normalos", die in aller Ruhe ihre Runden sammelten.

Fahrer, die in den anfänglichen Regenphasen von der Bahn kamen sahen aus, als wären sie mit den Mountainbikes aus dem matschigen Pfälzer Wald gekommen: Überall klebte eine schwarze Mischung aus Regenwasser, Sand, Asphalt und Gummiabrieb der Reifen. Wer nach dem Lauf ins Brötchen gebissen hat hört es knirschen.

Die Härte des Rennens setzte natürlich nicht nur den rund 150 Fahrern zu, auch das teilweise 40 Jahre alte Material musste hier und da behandelt werden. Die von Hermann "Dr." Nocke besetzte mobile Werkstatt hatte ein paar Stunden nach dem Start gut zu tun: Hier eine gerissene Speiche, dort eine runtergesprungene Kette, dort ein Platten. Es gab so gut wie kein Problem, für das der Arzt, dem die Klappräder vertrauen, keine Lösung gehabt hätte. Einzigstes Problem: Er hat nur zwei Hände.

rot
Unser Team klABBA wurde auf 9 gesetzt, und unsere Ambitionen gingen auch in die Richtung Top10. Wir kannten die Bahn bereits aus einigen Trainings, die wir im Vorfeld hier absolviert haben, und wir hatten alle vier Richtig Lust gehabt uns auszupowern. So haben wir uns über 24 Stunden immer im Spitzenfeld behaupten können. Platz 6 war es dann zum Schluß, und wir haben 800,1km gefahren.

Ich bin davon 218,15km gefahren und habe dafür 6:24h gebraucht. Das entspricht einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,1km/h. Insgesamt hatte ich sieben Einsätze: 5 mal bin ich jeweils eine Stunde gefahren, und dann noch mal zwei mal jeweils eine knappe dreiviertel Stunde.

Die Vorgehensweise im Rennen war immer die Selbe: Auf die Bahn fahren, langsam Tempo aufnehmen, und dann sich einen Zug suchen, bei dem man gut mitfahren kann. Es wurde fast immer fair gekreiselt. Jeder fuhr mal ein paar Runden im Wind, ließ sich dann wieder rausfallen und reihte sich am Ende des Zuges ein. Überholt wurde ausschließlich rechts, und nur beim Führungswechsel durfte der Zug links am Herausfahrenden vorbeifahren.

Obwohl die Leistung der Teilnehmer stark variiert und neben erfahrenen Bahnfahrern auch blutige Laien am Start waren wurde äußerst diszipliniert gefahren. Es gab keine schweren Stürze, nur zwei kleinere Zwischenfälle ohne Fremdbeteiligung. Unnötiger Ehrgeiz scheint sich durch die 24h so sehr verdünnt zu haben, dass er nicht mehr schädlich war.

sichtlich gezeichnet
Während  dem Rennen wurde mir bewußt, warum eine solche Veranstaltung so gut funktioniert. Mit dem Klapprad stellt man eine Gleichberechtigung her, wie man sie nie unter Rennradfahrern, Mountainbikern, usw herstellen könnte. Du hast ein Klapprad so wie alle und es ist egal, was Du sonst für einen Sport machst. Das macht Dich erst mal gleich. Ab dort kannst du dann aber mit deinem Klapprad deine Individualität ausleben so viel du möchtest. Du kannst es mit Fell bekleben. Du kannst es ohne Ende tunen. Du kannst die lustigsten Provisorien dranbasteln. Es ist egal, was du machst, denn du wirst trotzdem von der "Gemeinde" akzeptiert. Dazu kommt noch, dass man über seine Klappräder zueinanderfindet, weil man sich über individuelle Lösungen beim Umbau und der Reparatur seiner Klappräder vernetzt. Man kann sich ein Klapprad für 30 EUR kaufen und prinzipiell schon mitmachen in dem Zirkus. Das ist der Schlüssel.

Mein diesjähriges Wettkampfrad war das häßliche Vaterland. Der Rahmen hat 12 EUR bei eb** gekostet, und dann kamen noch mal ein paar Euros für den Aufbau zusammen. Da ich ursprünglich mit dem gelben Rad fahren wollte hatte ich zu diesem Zweck die Speichen der Laufräder mit Folie verkleidet. Also habe ich konsequenterweise diese Laufräder dann also im Vaterland gefahren. Es kam wieder das 70er Kettenblatt zum Einsatz, das ein 16 Ritzel angetrieben hat. Vorteil des Vaterland war dann die günstigere Geometrie im Vergleich zum Gelben: Durch eine extrem nach vorne geneigte Sattelstütze hab ich schon mal schön weit vorne gesessen. Die Griffposition am Lenker habe ich dann sehr weit Innen gewählt, sodass ich zwar nicht besonders tief, aber nach außen recht aerodynamisch gesessen habe. Ich konnte also gut atmen, hatte einen guten Winkel für die Beine und war trotzdem noch ein bisschen aerodynamisch. Vorteile, die mich bereits bei der ersten Probefahrt mit dem Teil überzeugt haben.

Blieb nur die Frage, ob alles hält: Vor allem die Sattelstütze und die Speichen im Hinterrad machten mir Sorgen. Bei den Speichen habe ich das Problem, dass sie potenziell reiß-gefährdet sind, weil die Löcher im Flansch der alten Rücktrittnabe ein bisschen zu groß sind. Die Sattelstütze ist eine verkehrt herum eingebaute Layback-Stütze, die eigentlich für BMX ist. Es hat alles gehalten. Ich habe nur einmal die Kette ein bisschen nachspannen müssen, aber das könnte sogar normal gewesen sein, denn so viele km hatte die Kette ja noch nicht runter, sodass sie sich durchaus vielleicht noch ein bisschen gelängt hatte. Den Reifendruck habe ich ein paar mal kontrolliert, musste aber nie mehr als 0,5 bar nachschieben, um wieder auf die 10 bar zu kommen, die ich fahren wollte.

Regen im ersten Turn um 20 Uhr
Die eine Stunde dauernden Einsätze waren ziemlich hart. Das Tempo war ja ziemlich hoch, und zusammen mit den harten Reifen und den Unebenheiten auf der Bahn übertrugen sich Vibrationen über den Lenker in die Hände, dass sie sich nach einer halben Stunde wie taub anfühlten. Dazu kommt ja, dass man nicht wirklich viel variieren kann an der Griffposition. Mal habe ich ein bisschen weiter außen gegriffen, das war's auch schon. Für die letzten beiden Durchgänge, die dann jeweils ca. 45 Minuten liefen habe ich dann den Lenker ein bisschen hochgedreht, sodass ich eine bis dahin neue Griffposition fahren konnte. Auch die Kälte wollte natürlich durch die Kleidung, und sie hatte dabei Erfolg. Zum Glück riet mir die Catrin zu vielen Wechselklamotten, sodass ich zu jedem Start komplett neue Sachen anziehen konnte: Ein großer Wäscheberg ist entstanden.

Nach den Fahrten war dann ja immer 3 Stunden frei. Zeit, in der man essen MUSS und sich möglichst schnell trocken und warm macht. Von meinen Trainings auf der Rolle weiß ich meinen Energieverbrauch ganz gut einzuschätzen. 250W Durchschnittsleistung werde ich wohl kaum überschritten haben, also sollten 800 kcal zusätzlich nachgeführt werden. Das hat auch bis auf morgens um 5 Uhr immer geklappt. Ich habe mich mit Cola, Brötchen, Keksen, Bier und Currywurst mit Pommes versorgt. Um 5 habe ich dann leider verpasst, mich zu versorgen, was dann die Fahrt von 8 bis 9 Uhr beeinflußt habe. Der erste Fehler war mein Hungerast, und der zweite Fehler war, dass ich die ersten 20 Minuten viel zu schnell angegangen bin. Zum Schluß dieser Tour stand die "3" nicht mehr vorne am Tacho. Ich dachte, der Akku wäre jetzt bis zum Ende leer, aber ich habe dann wieder mehr gegessen, und die nächsten Turns gingen wieder erstaunlich gut.

Schrittmacher-Binford-Drahthaar-eigentlich zu schnell für mich
Am Ende verzeichnete mein Garmin 218,15km, 30955 Kurbelumdrehungen, 6:24h Fahrzeit mit ca 62000 Herzschlägen. Die Laufräder haben sich dabei jeweils 140000 mal um ihre eigene Achse gedreht, und Bahnrunden waren es 484. Wenn man die Trittfrequenz (82 UPM) mit der Durchschnittsgeschwindigkeit (34,1 km/h) kann man sogar die Streckenlänge berechnen, die ich ohne zu kurbeln gerollt bin: immerhin 6,7km. Die schnellste Runde bin ich um 13 Uhr gefahren, kurz bevor ich ausgewechselt habe. Da habe ich eine Rundenzeit von 37,6s (43,1km/h) hingelegt.

Insgesamt habe ich gemerkt, dass mir mehr Training gut getan hätte, und dass man sich doch zu schnell von den Emotionen in so einem Rennen verleiten läßt zu überpacen. Gerade bei Führungswechseln muss man aufpassen, dann man vorne im Wind nicht zu schnell wird, nicht zu lange vorne fährt. Man sollte generell immer eine Gruppe haben, und zur Not lieber eine Runde länger in einer etwas zu langsamen Gruppe fahren als minutenlang im Wind, um auf eine schnellere Gruppe aufzuschließen. Falls der World Klapp in solch einer Art also noch einmal stattfinden sollte, dann werde ich das alles versuchen zu beherzigen.

Wie kam es eigentlich zum 24h-Rennen? Man munkelt, dass das Mitglied des Siegerteams "CapriSonne" Matsches The Discoteer zunächst die Idee für ein 6-Stunden hatte, und noch bevor der Rest vom PKV das verdauen konnte bereits auf 24 Stunden erhöht hat. 

2 Kommentare:

  1. Hi Binford Banesto,
    ich war in der langsamen Truppe unterwegs. Wir haben als Team immerhin nen Schnitt von 28 erreicht. Nicht schlecht für absolute Bahn-Noobs. Als Radtouristen ist man ja eher langsam unterwegs, dafür lange. Deshalb waren auch die 24h auch nicht so das Thema, eher das Tempo was anfangs angeschlagen wurde. Eigentlich wollten wir 2-3h pro Fahrer/in, aber unsere Startfahrerin ist nach den ersten 15min Wahnsinn raus...
    Später haben wir 1,5h Schichten gemacht, das ging dann recht gut. Lustigerweise bin ich hinten raus immer schneller geworden. Die Endorfine machen einen recht flott. Irgendwann war die Trittfrequenz der Limit, während einen die Haupttribüne zujubelt. Was für n geiles Gefühl.

    cheers,
    Pudelfriseur

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  2. hy banesto,
    da ich sehr viele runden mit dir zugebracht habe, kann ich dir zu diesem bericht nur gratulieren...
    sehe ich alles genau so...

    ps.: die "breisgauperlen feiern in absehbarer zeit in freiburg eine after-wold-klapp-party, zu der ihr alle herzlich eingeladen seit...
    termin folgt...

    grüße aus freiburg (mit sonne ohne regen)
    henrich sehr schnell

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