Sonntag, 3. Januar 2016

All you can swim

10 Stunden im Wasser. Das sind 600 Minuten, und wenn man bedenkt, dass man etwas länger als 30 Sekunden für eine Bahn braucht, dann kommt man schnell auf eine Anzahl von mehr als 1000 Bahnen, die in dieser Zeit zu schwimmen sind. An dieser Zahl kann man sich dann ganze 10 Stunden abarbeiten. In der Zeit dreht sich der Minutenzeiger der großen Uhr im Geisenheimer Rheingaubad zehn mal um die eigene Achse. Trotzdem fühlt es sich an, als stünde die Zeit still: Minuten werden zur Ewigkeit, und man erinnert sich an die Kindheit, als solche Zeitverlangsamungen vor wichtigen Ereignissen wie z.B. Weihnachten oder Geburtstagen vorgekommen sind. Und so ist es nicht nur eine körperliche Aufgabe, 10 Stunden zu schwimmen und dabei möglichst viele Bahnen zu sammeln. Es ist auch sehr viel Kopfsache: Man kann sagen, dass es nur eine Stunde Spaß macht, dann muss man sich noch 9 Stunden selbst verarschen und sich die Restzeit schön reden. Beispiele: Bei 3:20 hat man bereits ein Drittel geschafft. Ein Drittel fühlt sich da leider schon an wie zu viel. Ab 5 Stunden kann man sich dann mit dem Umstand beruhigen, dass man sich bereits über der Hälfte befindet und man quasi schon wieder auf dem "Heimweg" ist. Und so schwimmt man weiter und kommt irgendwann in einen Bereich, wo man schon die Reststrecke berechnen kann. Was beim Laufen gut funktioniert, hört sich beim Schwimmen eher ein bisschen komisch an: "Ich muss noch drei Schloßparkrunden schwimmen" hat gleich drei Schwachstellen: 1. Den Schloßpark kann man nicht schwimmen 2. Im Gegensatz zum Schloßpark gibt es auf einer 25m-Bahn überhaupt keine Abwechslung 3. Drei Schloßparkrunden entsprechen 7,5km und dauern geschwommen drei (!) Stunden. Also sucht man, während man weiterschwimmt, immer nach neuen Gedankenspielen und kommt so dem Ziel näher. Bei ca. 19 km habe ich mir dann aber noch eine externe Hilfe angezogen, nämlich meinen wasserdichten MP3-Player. Zunächst habe ich versucht, diesen auf einer Bahn "Rücken altdeutsch" anzuziehen und einzuschalten, ohne Erfolg. Habe mich dann ein paar Minuten an den Beckenrand gestellt und ihn in aller Ruhe in Betrieb genommen. Wie bereits befürchtet ist der ohnehin schon recht leise Player im Wasser kaum noch zu hören, aber es war besser als nichts, und ich konnte mich an meiner Musikauswahl erfreuen, die ich vor über einem Jahr bereits getroffen habe. 

Mein diesjähriges Ergebnis war um 250 Meter schlechter als im Vorjahr, was ich auch auf die Friemelei mit dem MP3-Player zurückführe. Genauso kaputt wie im Vorjahr war ich allerdings schon. 10 Stunden durchschwimmen ist sehr lange, und trotz moderater Pace wird man müde. Heute habe ich Muskelkater und bin immer noch ziemlich ausgelaugt. Aber: Zu meiner Überraschung hat es auch dieses Jahr wieder für den Gesamtsieg gereicht. Ganze 900m Vorsprung konnte ich um 18:20 ins Ziel retten, auf der Nachbarbahn lief in den letzten Stunden ein massiver Angriff auf meine Kilometerleistung, die ich verloren zu haben glaubte. Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Jungs auf Bahn 1 mit dem von ihnen geschwommenen Tempo mich nicht noch überholt haben. Aber vermutlich war ich wieder der einzige "Durchschwimmer", sodass ein Tempo von nur 2,5 km/h ausgereicht hat.

am besten überholt es sich beim Wenden

Artikel im Wiesbadener Tagblatt vom 4.1.16




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen