Dienstag, 2. September 2014

im Vergleich: Easton EC90 vs. "MiFa-Style" Stahlkurbel

nur auf den ersten Blick gleich
Laßt Euch nicht von dem äußeren Erscheinungsbild dieser beiden Kurbelgarnituren täuschen! Sie mögen sich zwar optisch sehr ähneln, verfolgen allerdings zwei sehr verschiedene Philosophien. Dieser Bericht soll ein wenig die Unterschiede dieser beiden "Cranksets" beleuchten:

Gewicht: Ganz knapper Vorteil für die Eastons. Die wiegen inklusive der Kettenblätter und dem Innenlager 690g, bei den Stahlkurbeln bleibt die Nadel bei 1385g stehen.

Länge: Unentschieden. Beide Kurbeln liegen in der beliebten 170mm-Ausführung vor, sowohl beim linken als auch beim Rechten Arm.

Kettenblätter: Hier ein ganz krasser "Philosophie"-Unterschied. Bei der Stahlkurbel macht man keine Kompromisse: Hier heißt es Singlespeed ohne wenn und aber: Ein 46er Kettenblatt soll es richten, während die Easton-Strategie von Untentschlossenheit zeugt: Ein 53er und ein 39er Kettenblatt. Ja, wer jetzt schnell das arithmetische Mittel bildet, kommt bei mehr als doppeltem Aufwand auch wieder auf einen 46er Schnitt. Hallo? Der Fahrradmechaniker unter uns kalkuliert hier auch schon ein Mehrgewicht für den durch mehrere Blätter notwendig werdenden Umwerfer und Kettenspanner ein. Das aufwendig eingesparte Gewicht der Eastons wird hier fahrlässig aufgezehrt. Punkt für die Stahlkurbeln. Die fragwürdige 5-Punkt-Schraubbefestigung mit 130mm-Lochkreis der Eastons will ich hier gar nicht extra als Abwertung mit einfließen lassen, obwohl die Stahlkurbel zeigt, wie einfach das Leben sein kann: Das Kettenblatt ist irgendwie aufgepreßt, was dem ganzen ein homogenes Äußeres verleiht.

Material: Stahl, Stahl, Stahl gegen einen bunten, ja fast willkührlich wirkenden Materialmix aus Stahl, Carbon, Schaumstoff, Kunststoff und Aluminium. Schnell kommt bei den Eastons der Verdacht der Effekthascherei auf. Bei den Stahlkurbeln wiederum freut sich nicht nur der Purist, sondern auch der Besitzer, der sein Rad später mal reinigen will: Ein Büschel NEVR-DULL und ein altes Finisher-Shirt, und schon glänzt die Garnitur wieder wie am ersten Tag (der irgendwann in den 70ern gewesen sein muss). Punktsieger auch hier: Die Stahlkurbeln.

Lager: Hier stoßen zwei Techniken aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Die Eastons kommen mit BSA-Lagerschalen, in denen billige China-Kugellager des Typs MR2437 rotieren. Wie lange soll das denn bitte halten? Die Stahlkurbeln kommen in der hier vorliegenden Version allerdings auch nicht gerade im perfekten Setup: Der Garnitur liegt ein Thun-Patronen-Innenlager bei, das mittels zweier Nylonbuchsen an ein 40mm-Thompson-Gehäuse angepaßt wird. Dank der Vierkant-Norm hat man allerdings eine sehr große Auswahl an hochwertigen Innenlagern. Dieser Punkt geht nur ganz knapp an die Stahlkurbeln.

don't drink and drive!
Steifigkeit: Leider nicht direkt messbar. Die Kurbeln liegen ja hier auf dem Schreibtisch, und so kann ich nur den JEVER-Test machen: Bei äußerer betrachtung wird schnell klar, dass man mit den Eastons eine JEVER-Flasche nur am Ende der Tretlagerwelle links aufbekommt. Alle anderen Materialien weisen eine zu geringe Festigkeit auf. Und dass man sich bei dieser Art des Bier-Öffnens dreckige Fettfinger holt muss nicht extra erwähnt werden. Die Stahlkurbeln hingegen sind wahre Alleskönner und bieten folgende Öffnungsstellen: Kurbelarm Ende (beide Seiten), Tretlagerwelle, Kettenblatt außen, und der Clou: Es gibt eine scheinbar extra als Flaschenöffner ausgelegte Zone im Inneren des Kettenblattes, siehe Foto. Wegen der eingeschränkten Testmöglichkeiten hier nur ein halber Punkt für die Stahlkurbeln.

Preis: Hier können die Eastons ihre ganze Stärke ausspielen. Bei der Herstellung wurde außer an Stahl an nichts gespart, was sich auch im Preis wiederspiegelt. Die hier getestete Garnitur hat mit Innelager rund 200 EUR gekostet, während bei den Stahlkurbeln eigentlich nur Das Lager und der Versand überhaupt etwas gekostet haben. Hier drängt sich natürlich die Frage auf, was man am Ende vom Tag mit seinem Restgeld macht. Da kommt schnell Frust auf, also ein ganz klarer Punktgewinn für die Eastons.

Design: Beim Design fällt es schwer, einen klaren Sieger zu kühren: Die Eastons spielen mit dem mittlerweile in die Jahre gekommenen Schwarz-Weiß-Rot Designschema, welches nach dem dritten Reich noch mal durch Zipp, Cervelo und Co aufgegriffen wurde. Mitterweile kann man damit keine Katze mehr hinter dem Ofen hervorlocken, aber trotzdem ist es noch nicht wirklich häßlich. Die Stahlkurbeln locken mit einem rostfreien, zeitlosen Charme, mögen aber auch dem ein oder anderen Betrachter zu steril und nüchtern wirken, ja fast wie OP-Besteck. Deshalb hier Punkteteilung.

Der Kettenschutz-Faktor: Für viele Nutzer ist es wichtig, ein wenig "Luft" zwischen Kettenblatt und Kurbelarm zu haben, um keine Probleme bei der Montage der beliebten Kettenschützer zu haben. Hier bietet Easton nur lächerliche 9mm an, während bei den Stahlkurbeln satte 17mm zur Verfügung stehen. Ärgerlich ausserdem bei den Eastons: Der ohnehin schon schmale Spalt wird durch einen "Kettenfänger" auch noch um weitere 5mmreduziert. Die Stahlkurbeln sind hier klare Punktsieger.

Fazit: Jedes Dippche hat sein Deckelche und jedes Rippche sein Geschmäckelche, und so findet sich für beide Kurbeln wohl ein würdiger Arbeitsplatz. Ich würde die Eastons eher an ein sportlich ausgelegtes Klapprad montieren, während die Stahlkurbeln wie geschaffen zu sein scheinen für das Alltagsklappi.

Endergebnis in Punkten: Stahl 6,5 Punkte, Easton 4 Punkte.

hier eher Stahl
hier eher Easton



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