Sonntag, 4. Januar 2015

10h-Schwimmen: Ultra-Sport für unter 10 EUR

Max Ferdinand beim 10h-Schwimmen des DLRG Geisenheim / Rheingau

Gestern war es nach zehneinhalb Jahren mal wieder so weit: Ich habe an einem langen Zeitschwimmen teilgenommen. Im Gegensatz zu Spremberg 2004 musste ich dieses Mal aber keine 24, sondern "nur" 10 Stunden schwimmen. Das hat den entscheidenden Vorteil - so mein Plan - dass man durchschwimmen kann. Also rein ins Wasser, eine lange Einheit schwimmen, und dann ist schon Feierabend. Der Start verzögerte sich aus organisatorischen Gründen um 20 Minuten. Um 8:20 ging es also los. Die Taktik ohne Pause muss ich so wählen, weil ich kein schneller Schwimmer bin. Meine persönliche Einschätzung lag so bei einer Strecke von knapp über 20km, die ich in der Zeit schaffen kann, und an Hand der Ergebnisse aus den letzten Jahren konnte ich mir damit einen Platz unter den ersten drei ausrechnen. Die Siegerstrecken der letzten beiden Jahren lagen jeweils so bei rund 30km, das wäre für mich unrealistisch.


Also geht es dann los im Geisenheimer Hallenbad. Wir hatten drei Bahnen, was bei 27 Teilnehmern Freiheit bedeutet. Man kann in Ruhe sein Tempo schwimmen, muss selten überholen, profitiert allerdings auch höchst selten von dem Wasserschatten eine Vorrausschwimmers. Ich hatte meine Garmin an, die zwar ein bisschen vorgeht, aber durchaus eine Orientierung geben kann, wieviel man schon geschwommen ist.

Sowohl Zeit als auch Kilometer schritten extrem langsam voran, ich hatte teilweise das Gefühl eines kleinen Jungen, der sich in der Zeit gefangen fühlt, in Erwartung eines großen Ereignisses so wie Weihnachten oder Geburtstag. Erst nach 6,5 Stunden war ich gedanklich schon dem Wettkampfende nah: Nur noch 3,5 Stunden, das sind ja gerade mal 210 Minuten. Gerade mal dreieinhalb Runden des Minutenzeigers auf der Hallenuhr.

Zahlenspiele. Wer über 1000 Bahnen in einem Schwimmbecken schwimmt beschäftigt sich zwangläufig ausgiebig mit Zahlen. Die Zahl "800" war die Anzahl der Bahnen, die man für 20km braucht. Dann schwimmt man ein paar Bahnen, und merkt, dass 800 eine größere Zahl ist als man denkt. Dann hat man den ersten Kilometer, und baut einen Ladebalken vor seinem geistigen Auge auf: 5% denkt man dann. Das ist schon recht viel.

Um 11:35 dann bereitete ich mich dann langsam auf 12 Uhr vor. Das sollte in meiner Monotonie die Halbzeit darstellen. Ein paar Bahnen später fällt mir dann auf, dass 13 Uhr erst Halbzeit ist. Die 20 Minuten Verzögerung am Anfang habe ich dabei außer Acht gelassen, und bin auch nicht davon ausgegangen, dass die hintendran gehängt werden. 18 Uhr war also für mich das angedachte Ende.

Mindestens 80% der Strecke bin ich Brust geschwommen, zum Überholen dann immer mal eine Bahn Kraul, und hin und wieder eine Bahn Rücken, um den Körper kurzzeitig zu entlasten. Gerade untrainiert wie mir tut einem spätestens nach drei Stunden fast alles ein bisschen weh. Am meisten wird der Oberkörper gefordert, aber die Beine sind dann auch irgendwann ziemlich am Arsch: Bei jedem Abstoßen vom Beckenrand riskiert man einen Wadenkrampf.

Auf meiner Bahn wußte ich, dass ich die meisten Bahnen geschwommen habe. Nebendran auf der gefühlt etwas schnelleren Bahn fehlte mir der Überblick. Zwei Teilnehmer hatten in meinen Augen mehr Kilometer, weil ich sie oft im Wasser gesehen habe und sie für mich so aussahen als würden sie doppelt so schnell schwimmen wie ich. So wie in Spremberg habe ich ein bisschen die realistische Sicht der Dinge aus den Augen verloren: Wer beispielsweise eine Stunde nicht schwimmt, der verliert gegen mit 2,5km. Das ist sehr viel Strecke, die man durch Schnellerschwimmen erst mal wieder reinholen muss.

18:00. Ich schlage an. Die Mitschwimmerin auf meiner Bahn fragt, ob ich denn noch könnte. "Wie? Ich dachte bis 18 Uhr?" - Von den Veranstaltern wurde mir dann "Zwanzig nach" zugerufen, was ich letzten Endes auch fair fand. So hatte man wenigstens die Möglichkeit, volle 10 Stunden zu schwimmen. Die zusätzlichen 20 Minuten haben dann auch meine Gesamtstrecke über die 25km gebracht, was mich natürlich auch freut.

Um 18:20 habe ich dann endgültig angeschlagen, auf der Garmin waren 26,2km und auf den Zähllisten 25350m. Diese Differenz geht in Ordnung, weil die Garmin nur mit einem Beschleunigungssensor misst und so immer mal eine Bahn dazuschummelt. Beim Aussteigen habe ich mich dann vorsorglich an Ausstiegsleiter begeben, alles andere hätte nicht funktioniert. Fester Boden unter den Füßen nach 10 Stunden hat sich dann irgendwie interessant angefühlt. Ich bekam eine Medaille, eine Urkunde und ein paar anerkennden Gratulationen von den anderen Teilnehmern. Die Information, dass ich tatsächlich gewonnen hatte ist nicht zu mir durchgedrungen. Der Zweite hatte 21km, und auf dem dritten Rang ist man gestern dann mit 14,65km gekommen. Ich hatte weder mit dem Gesamtsieg noch mit über 4km Vorsprung gerechnet und war dementsprechend überrascht, als ich heute die Ergebnisliste angeschaut habe.

Da ich ja freitags erst von der Veranstaltung erfahren habe, war meine Vorbereitung auf's Nötigste beschränkt: Ich habe am Vortag also ein bisschen mehr gegessen als sonst. Nachdem ich jetzt so lange nicht mehr schwimmen war gestaltete sich die Suche nach meiner Badehose auch nicht als ganz so unkompliziert: 2014 war ich nur zwei Mal schwimmen, und das jeweils mit Triathlon-Anzug. Schließlich fand ich dann doch noch, und dank ursprünglich 10 gekauften Exemplaren hatte ich auch relativ schnell eine Schwimmbrille parat. Mehr war auch nicht erlaubt. Für das Rennen habe ich mir dann eine Trinkflasche mit Tee gemacht, die ich aber dummerweise im Spint gelassen habe. Also musste ich 10 Stunden ohne Essen und Trinken auskommen. Geht aber ganz gut, eigentlich schwimmt man ja in 500000 Litern Trinkwasser, und da man in einem relativ niedrigen Pulsbereich schwimmt bekommt man das auch noch über den Fettstoffwechsel ganz gut hin.

Wenn man bedenkt, was für Startgebühren bei einem Ironman oder bei einem Marathon aufgerufen werden, wirken die 5 EUR Startgebühr zuzüglich 3,80 EUR Schwimmbadeintritt gerade zu lächerlich günstig. Ich bin Veranstaltern wie dem DLRG äußerst dankbar für die Organisation solcher Events. Im Verhältnis zur Teilnehnmerzahl werden relativ viele Helfer benötigt. Und 10 Stunden auf einem Plastikstuhl zu sitzen und auf einer Liste Kreuzchen zu setzen für die geschwommenen Bahnen, das ist nun wirklich nicht das Schönste, was man sich an einem Samstag vorstellen kann.

Hier ein paar Statistiken aus meiner Garmin-Uhr:

Verteilung der Bahnen:
Brustbahnen: 740 (71%)
Kraulbahnen: 282 (27%)
Rückenbahnen: 19 (2%)

Anzahl der Schwimmzüge: 13482

Energieverbrauch laut Uhr: 8654 kcal

Kilometerzeiten:

km1 18:46
km2 19:47
km3 19:35
km4 19:31
km5 18:09
km6 22:01
km7 21:08
km8 23:29
km9 21:57
km10 21:35
km11 22:52
km12 23:18
km13 22:41
km14 24:09
km15 23:37
km16 24:10
km17 23:31
km18 23:36
km19 23:55
km20 24:20
km21 25:01
km22 25:48
km23 26:22
km24 26:20
km25 26:35
km26 23:39

Abweichung Uhr zur offiziellen Zählung: 675m / 27 Bahnen / 2,66%
immer schön gemütlich weiterschwimmen

ein kurzer Blick auf die Uhr

auch beim Kraulen Energie sparen

Viele Kreuzchen auf der Zählliste und alle 750m Zwischenzeit

Habe es auf Titelseite vom Tagblatt geschafft :-)
Artikel im Wiesbadener Kurier

Schwimmpace über 10 Stunden grafisch (min / km)

1 Kommentar:

  1. Hi Max, du bist ein "Tier", respekt !

    Die 24 Stunden am Stück kannst Du ja als Solist in Schopp absolvieren ;-)

    Grüße
    Klapperbart

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